Halb beschwipst und mässig glücklich


Die Produktion "A Rum Diary" will eine alkoholgeschwängerte, tropisch-hitzige Atmosphäre schaffen. Warm ums Herz wird einem eher durch die Drinks von der Bar und die karibische Live-Musik.


Von Adrian Wettstein


Eine Hinterhof-Bar, in der Rum ausgeschenkt und Hamburger gebraten werden. So beginnt der legendäre Roman "The Rum Diary" von Hunter S. Thompson. Und so beginnt auch der Premieren-Abend, zu dem Regisseur Tumasch Clalüna und seine Crew ins Theater Roxy geladen haben. Ihre Ambition ist es, das Buch von Thompson in einer gut dreistündigen Inszenierung auf die Bühne zu bringen. Keine einfache Aufgabe, denn der Roman lebt vor allem von der Beschwörung fiebriger Hitze, Tropenfäule und existenziellen Seelenlagen.


Der Protagonist Paul Kemp ist ein mittelmässiger Journalist um die dreissig, der selbst nicht so recht weiss, was ihn in die lähmende Schwüle Puerto Ricos geführt hat. Zusammen mit seinen Arbeitskollegen Sala und Yeamon betrinkt er sich täglich, fängt Hummer oder geht auf Partys des reichen PR-Typen Sanderson. Auf Yeamons junge Freundin Chenault wirft nicht nur Kemp ein lüsternes Auge. Alkoholräusche eskalieren zu Sex- und Gewalt-Exzessen, gefolgt von karibischer Katerstimmung. Wie ein Betrunkener mäandert die Story vor sich hin.


Die Bühnen-Umsetzung von Tumasch Clalüna klebt zäh am Original-Text. Während im Roman ein salopper Ton herrscht, wirkt die Umsetzung auf der Bühne etwas gestelzt. Die Dialoge aus den 60er-Jahren wirken gesprochen nicht mehr so schmissig. Besser wäre es wohl gewesen, stärker zu kürzen und mehr szenische Einfälle einzubringen. Die Band K’aliche um den Pianisten Yves de Groot lockert mit ihren afro-kubanischen Grooves die Stimmung zwar immer wieder auf und überbrückt langfädige Passagen. Dass die Schauspieler regelmässig stocken und auf Einflüsterung angewiesen sind, lässt das behagliche Ambiente aber bald wieder abflauen. Da hilft es auch nicht mehr, wenn sich Marisa Rigas als Chenault halbnackt in Ekstase tanzt. Das Publikum wurde schon vor dem rauschhaften Finale ernüchtert.


Too much Clalüna

 

Für seine Gonzo-­Adaption "A Rum Diary" richtet der Basler Jungregisseur mit der ganz großen Kelle an. Die luxuriös und vielfältig bespielte Inszenierung verkommt jedoch zum Abnutzungskrieg – vor allem für die Schauspieler.

 

Von Simon Aeberhard

 

Auf dem Hinterhof des Theaters Roxy in Birsfelden drängen sich eine suspekte Wechselstube, eine Strandbar und eine Hamburguesa‐Braterei. Aus dem Souterrain dringen leise Klänge, die man aus einer längst vergessenen Kaffeewerbung plötzlich wiederzuerkennen meint.

 

Richtig, gelandet sind wir in San Juan, Puerto Rico. Richtig, wir schreiben 1959. Hier spielt der Roman "The Rum Diary" von Hunter S. Thompson, dem gefeierten Miterfinder des radikal subjektiven, oft herrlich vulgären und immer auf Amok gepolten Gonzo‐Journalismus. Tumasch Clalüna hat den Roman für die Bühne adaptiert und inszeniert für die Treibstoff Theatertage adäquat wuchtig. Die Latino‐Band K’aliche begleitet den Abend und ein beachtliches Schauspielcast sowie Bühnenbild‐, Kostümaufgebot tun das ihre zum nicht nur theatralen und kulinarischen, sondern auch nostalgischen und musikalischen Erlebnis.

 

Paul Kemp soll eine neue Stelle bei den "San Juan Daily News" antreten. Noch bevor er auf den Chefredakteur trifft, wird er jedoch von seinen zukünftigen Kollegen zum Koma‐Trinken ausgeführt. Das Reporter‐Dasein Kemps entwickelt sich zum verworrenen Geflecht von hitzeschwangerer Geilheit, schwitziger Eifersucht, öligem Verrat – und immer wieder gewaltsamem Alkoholmissbrauch.

 

Die Inszenierung beharrt darauf, diese Verworrenheit in ihrer Gänze auszubreiten. Von den rund drei Stunden steten Exzesses sind die Schauspieler jedoch überfordert – und letztlich auch das Publikum. Die Inszenierung beharrt darauf, die Verworrenheit nicht nur zu erzählen, sondern dar‐ und nachzustellen. Auch das tut dem Spiel nicht gut: Thompsons Gonzo‐Zeilen über Prügeln, Saufen und Ficken machen Spaß, den tapferen Schauspielern beim ständigen Prügeln, Saufen und Ficken zuzusehen, weniger.